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Fachgespräch im SPZ des Marien-Hospitals: Gesundheitsminister Laumann nimmt Sorgen der Sozialpädiatrischen Zentren ernst

Lange Wartezeiten für Patienten und unzureichende Finanzierung: Zu diesen „Knackpunkten“, mit denen viele Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) in Nordrhein-Westfalen zu kämpfen haben, fand nun im SPZ des Marien-Hospitals Wesel ein Fachgespräch mit Landes-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann statt.

Das Foto zeigt NRW-Gesundheitsminister Laumann (M.) mit Vertretern des Marien-Hospitals, des Aufsichtsrats der pro homine, der SPZ-Landesarbeitsgemeinschaft sowie Wesels Landrat Ingo Bohl (2.v.l.) und Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp (4.v.l.).

Trotz intensiver Diskussionen auf vielen Ebenen (u.a. Ärztekammer, Familienministerium, Krankenkassen, Patientenvertreterin) ist es bisher nicht gut gelungen, eine Lösung für diese Probleme zu finden. Auch ein „runder Tisch“ auf Einladung des Gesundheitsministeriums NRW brachte nur einzelne Ergebnisse. Daher übernahm Claudia Middendorf, Patientenbeauftragte des Landes NRW, die Initiative für ein Vor-Ort-Gespräch mit Landes-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. 

Dr. Stephanie Boßerhoff, Chefärztin des SPZ am Marien-Hospital und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der SPZs in NRW, stellte die komplexen Tätigkeiten und Kooperationen im SPZ dar und machte anhand der Entwicklung der SPZs über die letzten 20 Jahre deutlich, wie sehr sich Bedarfe und Nachfrage geändert haben. Fast zwei Stunden nahm sich Minister Laumann Zeit und sagte nach Rundgang und intensivem fachlichen Austausch: „Mir ist die Brisanz des Themas heute sehr bewusst geworden. Darum müssen wir uns im Ministerium kümmern.“ Eine schnelle Lösung habe er nicht parat, bekannte der CDU-Politiker, sicherte aber zu, dass sich das Gesundheitsministerium NRW noch einmal intensiver mit der Thematik befassen werde.  

Zusage stimmt zuversichtlich

Diese Zusage stimmte seine Gesprächspartner zuversichtlich. Die Botschaft, dass die Sozialpädiatrischen Zentren Jahr für Jahr mit weniger Geld auskommen müssen und deshalb Personal und Räumlichkeiten kaum ausweiten können, um die Wartezeiten zu verkürzen, ist angekommen. Dr. Guido Wolf, Leiter des SPZ Duisburg und ebenso LAG-Sprecher, brachte es auf den Punkt: „Die betroffenen Kinder erhalten viel zu spät eine Behandlung und erleiden dadurch Schaden an ihrer Gesundheit.“  

Weitere Gesprächspartner des Ministers in Wesel waren Dr. Bernhard Hoch (Geschäftsführer GKinD – Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser), Ingo Brohl, Landrat des Kreises Wesel, Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, Burkhard Landers, stv. Vorsitzender des Aufsichtsrats der pro homine, zu der das Marien-Hospital gehört, Krankenhaus-Geschäftsführer Karl-Ferdinand Fürstenberg, Krankenhausdirektor Jürgen Gerhorst, Ärztlicher Direktor Dr. Marc Achilles sowie Markus Nehrke, stellvertretender SPZ-Leiter.

Zum Hintergrund: Ein Sozialpädiatrisches Zentrum ist eine ambulante Einrichtung für Kinder und Jugendliche von null bis 18 Jahren mit Entwicklungsstörungen und komplexen chronischen Erkrankungen sowie mit Regulationsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen und Autismus. In interdisziplinären Teams (Ärzt:innen für Kinder- und Jugendmedizin bzw. Kinderneurologie, Psycholog:innen, Therapeut:innen) erfolgen eine Diagnostik und das Aufstellen eines Behandlungsplans. Ziel ist es, die Entwicklung der Patienten zu fördern. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie Kitas, Schulen, Jugendämtern, Beratungsstellen, Frühförderstellen oder freien Praxen notwendig.

3000 Patienten im SPZ Wesel

Das SPZ am Marien-Hospitals in Wesel leistet diese Arbeit seit mittlerweile 30 Jahren. Dort und in der Außenstelle in Emmerich behandeln 45 Mitarbeitende pro Jahr etwa 3000 Patienten aus den Kreisen Wesel und Kleve sowie angrenzenden Regionen. Damit gehört diese Einrichtung zu den größten ihrer Art in Nordrhein-Westfalen. Der Zulauf ist ungebrochen, die Patientenzahlen steigen von Jahr zu Jahr. Dies gilt für alle 44 SPZs in NRW. Autismus-Spektrum-Störungen sowie Störungen im Sozialverhalten, in der Sprachentwicklung, psychosoziale Belastungen und psychische Erkrankungen bereits im Kindesalter haben laut Landesarbeitsgemeinschaft stark zugenommen, insbesondere als Folge der Corona-Pandemie. Dies führt zu langen Wartezeiten. In zwei Dritteln der Fälle vergehen sechs bis zwölf Monate bis zu einem Termin im SPZ.

Nach Auffassung der LAG können die Einrichtungen aktuell ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllen. Die Arbeitsgemeinschaft fordert mehr Personal und ausreichende Räumlichkeiten für die Sozialpädiatrischen Zentren. Außerdem setzt sie sich für eine Finanzierung nicht-ärztlicher sozialpädiatrischer Leistungen ein, die seit dem Jahr 2020 nicht mehr flächendeckend von den Sozial- / Jugendhilfeträgern bzw. auch nicht von den Krankenkassen anteilmäßig vergütet werden. Hier wurde ein erster Schritt getan: Das Gesundheitsministerium in NRW hat im Bundesrat eine Gesetzesänderung auf Bundesebene beantragt, die aber bisher keine positive Resonanz in Berlin gefunden hat.

Forderungen der Landesarbeitsgemeinschaft

Darüber hinaus, so die LAG-Sprecher:innen weiter, brauche es eine höhere, dem Bundesdurchschnitt angepasste Quartals-Pauschale, damit auch Personal und die Ausweitung von Räumlichkeiten finanziert werden können. Um die Versorgung von behinderten jungen Erwachsenen zu verbessern, macht sich die Organisation auch dafür stark, dass SPZs künftig Jugendliche mit Behinderungen bis zum 21. Lebensjahr behandeln dürfen. Aktuell liegt die Grenze bei 18 Jahren. Eine Versorgung über dieses Alter hinaus ist trotz Medizinischer Zentren für Erwachsene mit Behinderung schwierig, da diese nicht flächendeckend verfügbar sind. Damit verbunden ist die Forderung, den Ermächtigungszeitraum (eine Art „Betriebszulassung“), der den Einrichtungen von der Ärztekammer eingeräumt wird, auf zehn Jahre auszuweiten. Das schaffe Verlässlichkeit und Planungssicherheit, betont die LAG.  

Karl-Josef Laumann riet den SPZs, gegenüber Kassen und Politik „lauter zu werden“. In Wesel wurde nun ein Anfang gemacht. Der Gesundheitsminister von NRW hat den Schilderungen zu den Problemen der SPZ intensiv zugehört.