Dramatische Folgen
Das Gallensystem (Gallenflüssigkeit, Gallenblase, Gallenwege) dient der Verdauung und befindet sich in enger Nachbarschaft zu Leber und Bauchspeicheldrüse im Oberbauch. Nicht selten erkrankt dieses System durch Steinbildung, was dann zu mehr oder weniger dramatischen Folgen führen kann. In enger Kooperation von Internisten und Chirurgen werden diese Erkrankungen des Gallensystems am St. Willibrord-Spital diagnostiziert und therapiert.
Wer von Galle spricht, meint kein Organ, sondern die Gallenflüssigkeit. Diese wird in der Leber gebildet und in die Gallenwege ausgeschieden (500 bis 1500 Milliliter pro Tag). Die Galle wird – wenn nicht benötigt – in der birnenförmigen Gallenblase gesammelt (Reservoir) und bei Bedarf von dort über die Gallengänge in den Darm geleitet. Kurz vor der „Mündungsstelle“ befindet sich die Bauchspeicheldrüse.
Der „Pril-Effekt“
Die Funktion der Galle besteht darin, Fette aus der Nahrung durch Emulgation in Wasser zu lösen, so dass sie verdaut werden können. Weil dies mit der Wirkung eines Spülmittels vergleichbar ist, könnte man dies als „Pril-Effekt“ bezeichnen. Die Galle ihrerseits besteht zu 80 Prozent aus Wasser und aus anderen Stoffen. Durch bestimmte Faktoren (erhöhter Cholesterinwert, Übergewicht, bestimmte Medikamente, Alter) kann es zu Kristallisationsprozessen kommen, aus denen dann Gallensteine entstehen. Diese befinden sich in der Gallenblase oder in den Gallenwegen und treten bei Frauen doppelt so häufig auf wie bei Männern.
Typische Beschwerden
In den meisten Fällen verursachen Gallensteine keine gesundheitlichen Probleme. Wenn doch, treten eine Reihe von typischen Beschwerden auf – Kennzeichen einer Gallenkolik. Dazu zählen gleichbleibende Schmerzattacken im rechten oder mittleren Oberbauch, die einige Minuten oder bis zu mehreren Stunden anhalten können. Oft strahlen die Schmerzen in den Rücken oder in die rechte Schulter aus, hinzu kommen Übelkeit und Erbrechen. Die Beschwerden entstehen durch einen eingeklemmten Stein in den Gallengängen. Steine können auch eine Entzündung der Gallenblase oder der Gallenwege verursachen. Dann treten zusätzlich Fieber und Schüttelfrost auf, und die Schmerzen sind dauerhaft. Kann die Gallenflüssigkeit nicht abfließen, gelangt der Gallenfarbstoff ins Blut. Die Folge ist eine Gelbsucht, bei der sich das Weiße im Auge und die Haut gelb verfärben. Je nach Lage kann ein Stein im Hauptgallengang auch eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse hervorrufen. „Steinlose“ Erkrankungen sind z. B. Tumore an Gallenblase / Gallenwegen / Bauchspeicheldrüse.
Tastuntersuchungen und Ultraschall
Zur Diagnostik von Gallen-Erkrankungen stehen dem Arzt unterschiedliche Methoden zur Verfügung. Zum Standard gehören Tastuntersuchungen des Bauches und Laboruntersuchungen zur Ermittlung der „Leberwerte“. Per Ultraschall (Sonographie) lassen sich Steine in der Gallenblase erkennen. Befinden sich die Steine hingegen in den Gallenwegen, kommt die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) zur Anwendung. Diese endoskopische Methode („Gallenwegsspiegelung“) erlaubt diagnostische und therapeutische Eingriffe. Es ist möglich, Gallenwege, Gallenblase und Bauchspeicheldrüsengang mit Röntgenkontrastmitteln darzustellen, Steine zu entfernen und den Gallengang zu weiten.
Für die Therapie von Gallensteinleiden stehen Schmerzmittel und Antibiotika (bei Entzündung) zur Verfügung. Die operative Behandlung besteht im Wesentlichen aus der Gallengangstein-Entfernung bzw. der Gallenblasen-Entfernung. Während der Internist, Chefarzt Dr. Esmatollah Dr. Kasim, den Stein aus dem Gallengang beseitigt – das ist immer erforderlich, auch wenn der Patient keine Beschwerden hat –, ist die Entfernung der Gallenblase eine Aufgabe für den Chirurgen. Im St. Willibrord-Spital gehen Chefarzt Dr. Jochen Heger und sein Team dabei in der Regel laparoskopisch vor. Bei der Laparoskopie (Bauchspiegelung) betrachtet der Operateur die Bauchhöhle mit einem Spezialendoskop, dem Laparoskop. Dabei handelt es sich um ein Gerät mit einer Optik, die am Ende eines dünnen Rohres angebracht ist. Im Innern des Laparoskops befindet sich ein Stablinsen-System, das die Bildinformation zum anderen Ende des Rohres transportiert. Dort sitzt eine Kamera, die das Bild auf einen oder mehrere Monitore weiterleitet. An dieser vergrößerten Darstellung des „Operationsgebiets“ orientieren sich die Ärzte während des Eingriffs.
Operationen durchs „Schlüsselloch“
Die Laparoskopie zählt zu den minimal-invasiven Verfahren. Diese kommen mit kleinen Schnitten aus, durch die das Endoskop und die Operationsgeräte in den Bauch eingeführt werden. Man spricht von „Schlüssellochoperation“. Sie ist im St. Willibrord-Spital Standard und hat für den Patienten den großen Vorteil, dass sie ihn weniger belastet als ein Bauchschnitt, er sich schneller erholt und das Krankenhaus früher verlassen kann. Übrigens: die erste laparoskopische Gallenblasenentfernung erfolgte 1985 durch Erich Mühe in Böblingen. 1882, also gut 100 Jahre früher, gelang Carl Langenbuch in Berlin die erste Entfernung einer Gallenblase. Pionier der Gallengang-Eröffnung war dann zwei Jahre später Hermann Kümmell in Hamburg.
Die meisten Menschen haben nach Entfernung der Gallenblase keine Beschwerden. Patienten, die es wünschen, dürfen die entfernten Gallensteine mit nach Hause nehmen. In den meisten Fällen allerdings kommt es erst gar nicht zu einer Operation, weil die Gallensteine keine Beschwerden verursachen. In solchen Fällen ist es in der Regel ratsam, zunächst einfach abzuwarten.