Mit Lichttechnik gegen Delir
Als erste Klinik weltweit setzt das Marien-Hospital Wesel eine innovative Lichttechnik ein, um Verwirrtheitszustände (Delir) von Patienten auf der Intensivstation zu vermeiden. Das System VitalSky der Firma Philips simuliert den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus, der für die Genesung eine wichtige Rolle spielt. In sieben Zimmern wurde die Technik als Deckenkonstruktion über den Patientenbetten installiert. Die Lichtverhältnisse werden so gesteuert, dass sie dem Tagesverlauf entsprechen. Bereits begonnene wissenschaftliche Untersuchungen dazu (Charité, Berlin) legen einen klaren Behandlungsvorteil nahe.
Das Durchgangssyndrom (Delir)
Das Delir stellt eine große Herausforderung für die Intensivmedizin dar. Es tritt bei 30 bis 80 Prozent aller Patienten auf, die intensivmedizinisch behandelt werden. Von einem auf den anderen Moment erscheint der Patient völlig verwirrt. Es treten Einschränkungen im Bewusstsein, Gedächtnislücken und Wahrnehmungsstörungen auf. Wissenschaftliche Untersuchungen der Charité in Berlin belegen, dass diese Funktionsstörungen des Gehirns weitreichende Auswirkungen haben. So verdoppelt sich das Sterblichkeitsrisiko durch ein Delir auf der Intensivstation und liegt in den ersten sechs Monaten nach der Krankenhaus-Entlassung gar dreimal so hoch.
Ein Delir führt zu:
- 2x erhöhter Sterberate auf Intensivstationen
- 3x erhöhter Sterberate innerhalb von 6 Monaten (nach dem Krankenhausaufenthalt)
- 9x höherem Risiko von dauerhaft kognitiver Beeinträchtigung wie Demenz
Risikofaktoren, ein Delir zu entwickeln, sind eine vorbestehende Demenz, die Alkoholkrankheit und auch die Schwere der zur Intensivaufnahme führenden Erkrankung.
Neben der Therapie einer eventuellen Ursache gibt es keine direkte Therapie des Delirs. Es wird symptomorientiert behandelt, z.B. mit beruhigenden Substanzen. Da eine ursächliche Therapie meistens nicht möglich ist, versuchen wir, auf der Intensivstation einem Delir vorzubeugen. Neben der Behandlung der Grunderkrankung gilt es, Stressfaktoren so gut wie möglich auszuschalten. Hierzu gehören die adäquate Schmerztherapie und die Reduktion der Lautstärke. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Erhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus. Gerade auf der Intensivstation erhält der Patient am Tag zu wenig und in der Nacht zu viel Licht. Auch die Lichtintensität in den Intensivzimmern durch natürliches Sonnenlicht ist durch Fenster so reduziert, dass es biologisch nicht ausreicht. Das Lichtkonzept VitalSky von Philips ist hier ein neuer innovativer Ansatz zur Optimierung des Wohlbefindens unserer Patienten. Mittags, wenn die Sonne am höchsten steht, beträgt die Beleuchtungsstärke 100.000 Lux. Um nachts gut schlafen zu können, benötigt ein Intensivpatient mittags 1000 Lux, die mit VitalSky gewährleistet werden. Bei einer zu geringen Lichtintensität bleibt die Konzentration des Hormons Melatonin, das den Rhythmus von Tag und Nacht steuert, hoch, so dass der Patient tagsüber schläft statt nachts.
Multimodaler Ansatz
Die Licht-Therapie ist Teil eines multimodalen Ansatzes zur Delir-Vorbeugung im Marien-Hospital. Dazu zählen darüber hinaus der Verzicht auf Medikamente, die Verwirrtheitszustände auslösen können, und die Geräusch-Reduktion, indem Alarme vom Patientenzimmer weg nach außen geleitet werden. „Wir lassen den Patienten nachts in Ruhe. Das ist ein Paradigmenwechsel, den die gesamte Intensivmedizin erfasst hat“, betont Dr. Marc Achilles, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin.
VitalSky ermöglicht drei Systemeinstellungen: den 24-Stunden-Rhythmus, einen Notfall- und einen Untersuchungsmodus. Der natürliche Tageslichtverlauf wird mittels eines Spektrums von Weißlichttönen simuliert. Zusätzlich lassen sich beruhigende farbige Naturszenen abspielen. Über eine zentrale Steuereinheit und eine mobile Benutzerschnittstelle werden die verschiedenen Beleuchtungsprogramme und die ergonomische Arbeitsplatzbeleuchtung eingestellt und individuell angepasst. Das System kann dazu beitragen, die Liegezeiten auf der Intensivstation zu verkürzen.